9.2.15



[in: Peter I. Schneider u.a. (Hg.): Lichtkonzepte in der vormodernen Architektur, Intern. Kolloq. Berlin, 26.2.-1.3. 2009, 2011, 1-14.]

Die Gotik als Architektur des Lichts   

Über gotische Architektur und das Licht schreiben zu wollen, heißt eigentlich beinahe die gesamte Architekturgeschichte von vier Jahrhunderten in allen Ländern des Abendlandes behandeln zu müssen, und dabei fast Alles in dieser Baukunst, die zweifellos als Architektur des Lichtes zu bezeichnen ist.
Ich werde mich aber von vorneherein beschränken, und zwar zeitlich, indem ich mich im Wesentlichen auf die Frühzeit, vor allem das 12. Jahrhundert, konzentriere und örtlich, indem ich nur die Bauten Frankreichs berücksichtige und sachlich, indem ich nur die Innenräume studiere.
Doch das reicht immer noch nicht: allein schon der Begriff des Lichtes und die Aussagen über das Licht sind so vielfältig, dass man ihnen in einem so kurzen Text kaum gerecht werden kann. Man braucht nur eine Bibelkonkordanz aufzuschlagen, um Seiten über Seiten von Belegen zum Wortfeld ‚Licht‘ zu finden. Bereits in den ersten Versen der Schöpfungsgeschichte lesen wir von Gott als dem Schöpfer des Lichtes (Gn 1,1-5, 14-19), das sein Abglanz ist. Gott ist der Lichtumkleidete, das Licht spiegelt die göttliche Herrlichkeit (Ps 82,6; 104,2; Ex 24,10; Ez 1,22), ja es wird mit ihm ineins gesetzt, was jedoch von den Theologen nur als Metapher bzw. Name geduldet wird.[1] Im Neuen Testament bietet das Johannes-Evangelium eine Lichttheologie, die in den Eingangsversen Christus als ‚das Licht der Welt‘ bezeichnet, das in der Finsternis leuchtet (Io 1,3-6; 1,9; 8,12). In der Transfiguration auf dem Berge Tabor wird Jesus zur Lichtgestalt verklärt und dadurch seine göttliche Natur erwiesen. Das Licht ist unter allen irdischen Erscheinungen Gott am ähnlichsten, weshalb es so viele Lichtmetaphern für Gott gibt. Die Licht spendenden Himmelskörper, Sonne, Mond und Sterne, sind Manifestationen seiner selbst: Gott ist der sol invictus und der sol iustitiae. Christus nennt seine Jünger das ‚Licht der Welt“ (Mt 5,14), die Gläubigen ‚Kinder des Lichtes‘ (Io 12,36). Am Jüngsten Tag finden die Erretteten Eingang in das Himmlische Jerusalem, eine Stadt des Lichts aus Glas, Kristall, Gold und Edelsteinen, bevölkert von den  Lichtgestalten der Engel.
Es wird genau unterschieden zwischen den verschiedenen Qualitäten des Lichtes und des Leuchtens: Johannes der Täufer ist nicht das wahre Licht (lux vera), sondern nur eine lucerna ardens et lucens, die brennende und leuchtende Laterne, die dem wahren Licht Christus den Weg bereitet (Io 5,35). Lux und lumen sind nicht dasselbe: lux ist die Lichtfülle, das ausströmende Licht der Sonne, lumen eher das Licht, das ein Leuchter verbreitet; es kann auch den Leuchtkörper selbst meinen. Andererseits wird lumen abgesetzt von der Laterne, womit eine Hierarchie der Lichtquellen deutlich wird. Die verschiedenen Erscheinungsweisen des Lichtes werden sorgfältig unterschieden, der splendor, d.h. der Glanz, vom fulgur, d.h. dem Aufblitzen, vom Schimmern, der claritas (Klarheit und Helligkeit) usw.
Ein spezifisch mittelalterlicher Aspekt der Lehre vom Licht ist die wichtige Rolle und überaus hohe Bewertung der Edelsteine. Man war der Meinung, sie würden aus sich selbst heraus leuchten, d.h. ohne Einwirkung einer äußeren Lichtquelle. Man schrieb ihnen deshalb magische und andere wunderbare Wirkungen zu und hielt sie für heilig, insbesondere die farbreinen Arten, wie Saphir, Rubin und Smaragd; Ähnliches gilt für die Perlen mit der nur ihnen eigenen Lichtwirkung. In diesem Sinne wurden die Farbfenster als eine Art selbstleuchtender Edelsteinwände aufgefasst.
Angesichts dieser Fülle ist es erstaunlich, dass die Zahl wissenschaftlicher Publikationen zum Thema nicht so groß ist, wie man eigentlich erwarten würde, und dass viele es an Wissenschaftlichkeit vermissen lassen. Paradoxerweise wüsste ich keine einzige systematische Studie über das Verhältnis der gotischen Architektur zum Licht zu benennen.[2] Eine Ausnahme bildet die Literatur zum Gründungsbau von St.-Denis, weil dessen Auftraggeber, Abt Suger, in seinen Schriften auf die Lichtqualitäten der von ihm gewünschten Kunst hinweist und sie theologisch untermauert – ich werde darauf zurückkommen.
Zu den historischen Quellen sind auch Bilder zu zählen. ABB Das lässt sich an den Tafeln Jan van Eycks demonstrieren, wie der ‚Madonna in der Kirche‘ in der Berliner Gemäldegalerie und der etwas jüngeren Verkündigung an Maria in der National Gallery in Washington, deren Thema wesentlich das Licht ist. In dem kleinen Berliner Bild sehen wir eine überdimensional große, stehende Muttergottes mit Kind in einer gotischen Kirche, die von ihrer Größe und Ausstattung her eine Kathedrale sein könnte. Gemeint ist, dass Maria mystisch identisch ist mit der Kirche, diese wiederum mit der Braut Christi usw. – dieses allegorisch-typologische Bedeutungsgeflecht braucht uns hier nicht weiter zu interessieren. Für uns ist wichtiger, dass wir in der Kirche zweierlei Licht bemerken, einmal die Kerzen auf dem Altar und dann das Licht, das durch Fenster und Türen in den Kirchenraum hineinfällt; da wir davon ausgehen müssen, dass die Kirche geostet ist, kommt es von Norden – d.h. es ist außerirdisch und übernatürlich und bedeutet hier die Einwirkung Gottes
In dem etwas jüngeren Bild in Washington wird die Bedeutung des ebenfalls von Norden kommenden Lichtes noch präzisiert, da es hier in Form von sieben Strahlen auftritt, womit die Sieben Gaben des Hl. Geistes gemeint sind, von denen die Gottesmutter erleuchtet und erfüllt ist. Das Licht ist hier ein Mittel der Darstellung der dritten Person der Trinität.
Zwar ist das Licht zu jeder Zeit Thema der Kirchenbaukunst, doch verlangt es nach einer Erklärung, warum die Bauten der verschiedenen Epochen so unterschiedlich mit dem Licht umgehen. Vereinfacht ausgedrückt arbeitet die vorgotische Architektur weniger mit dem architektonisch gestalteten und durch Farbfenster gefilterten Außenlicht, sondern mit dem im Inneren der Kirche erzeugten. Das Licht der Leuchter und Lampen wird reflektiert in den Mosaiken, dem Gold der illuminierten  - d.h. zum Leuchten gebrachten - Handschriften, dem Strahlen der Edelsteine, dem Schimmern der Perlen, dem Glanz des Edelmetalls bei den Reliquienschreinen und anderer liturgischer Gerätschaften. Die Dinge werden so gestaltet, dass von ihnen Licht auszugehen scheint, so z.B. beim Pantokrator der Apsis der Cappella Palatina Rogiers II. in Palermo, entstanden um 1140. Der Hintergrund ist aus goldenen Mosaiksteinen gebildet, im Nimbus finden auch silberne Verwendung. Passend dazu können wir im aufgeschlagenen Buch sowohl auf Griechisch wie auf Lateinisch lesen: „Ich bin das Licht der Welt“. Von einer architektonischen Gestaltung des Lichtes kann man kaum reden, auch nicht von einer bewussten Lichtführung. Denn die Fenster sind klein; es fällt nur wenig natürliches Licht in den Raum.
Die Geschichte des Lichts in der abendländischen, vor allem der nordalpinen  Architektur ist aber wesentlich die Geschichte des Fensters und der mittels Durchfensterung arbeitenden Lichtregie. An der Gewinnung von mehr Licht arbeitete man damals bereits intensiv in König Rogiers ursprünglicher Heimat, der Normandie. Die Zeitgenossen haben die Tendenz zur Aufhellung als Hauptmerkmal des neuen Stils der Gotik erkannt. Dafür ein Beleg unter vielen: Der Autor der Chronik der Bischöfe von Auxerre widmet in der Vita des Bischofs Hugo (um 1180) einen eigenen Abschnitt der Maßnahme, “qualiter fenestras in fronte veteris operis ecclesiae ac vitreas dilataverit, ut ecclesia qui more veterum usque tunc fuerat subobscura, in lucem claresceret ampliorem…“. (wie er die Fenster an der Fassade seiner Kathedrale erweitert hat, damit der Raum, der nach alter Weise etwas dunkel war, in reicherem Licht erglänze).[3] Und weiter über die Erneuerung des Bischofspalasts: “palatium ipsum multum nobiliori quam ante tecti decoravit structura; et, ad intermittendum lucem in palatium, fenestras pinnaculi magna intercapedine dilatavit, arcens flatus importunos ventorum vitrearum perlucidarum objectu (er erweiterte die Fenster, um mehr Licht in den Palast zu lassen, und versah sie mit großen Verschlägen. Sie wehren mit ihrer durchsichtigen Verglasung unerwünschte Winde ab).“[4] Die Schutzfunktion der Fenster wird auch von dem Chartreser Kanoniker Pierre de Roissy um 1230 betont, der die Fenster mit den Kirchenvätern verglich, die den Wind der bösen Mächte abhalten, aber die Lehre des Evangeliums in den Kirchenraum hereinlassen.[5]
Ganz so einfach – romanisch = dunkel, gotisch = hell – stellt sich die Geschichte des Lichtes in der Baukunst des 12./13. Jahrhunderts jedoch nicht dar. Bereits im 11. Jahrhundert ist das Bemühen um die Vermehrung und Vergrößerung der Fenster, insbesondere im Sanktuarium, zu bemerken.[6] Man weiß nicht genau, wann und wo in Frankreich der neue Typus von Sanktuariumsarchitektur mit Umgang und Fenstern aufkam. Gewiss war er schon um die Jahrtausendwende in den großen Kirchen an den Pilgerwegen verbreitet, so in St.-Martin in Tours. Bei diesem Grundriss-Typus wird ein Chorumgang (deambulatorium) mit Radialkapellen um das Sanktuarium geführt, die frühere Apsis durchfenstert und die Altarzone von einem repräsentativen Säulenkranz umgeben.[7]
Es ist begreiflich, dass die Mönche von Cluny ihre ab 1088 errichtete neue Kirche, ein Höhepunkt der romanischen Klosterbaukunst, als urbs Sion aurea (goldene Stadt Sion, d.h. das Himmlische Jerusalem) und als deambulatorium angelorum (Wandelhalle der Engel) priesen.[8] Diese Verweise sind jedoch nicht abstrakt gemeint, da man damals der Überzeugung war, dass das Zeichen Anteil am Bezeichneten habe, so dass die materielle Kirche nicht nur Symbol der "urbs beata dicta pacis visio" sei, sondern wenigstens ansatzweise eine konkrete Vorwegnahme:[9] Vom Himmlischen Jerusalem heißt es in der Bibel: "Ihr Leuchten ähnelt einem Edelstein ... (lumen eius simile lapide precioso ... Apc 21,11,12)", worin die alte Lehrmeinung zum Ausdruck gebracht wird, die Edelsteine könnten ohne Zufuhr von Licht allein aus sich selbst leuchten.[10] Weiterhin heißt es vom Himmlischen Jerusalem: sie ist eine "Stadt aus reinem Golde, einem reinen Glas vergleichbar (civitas auro mundo simile vitro mundo, Apc 21,18)."
Die Vorbildlichkeit von Cluny III wird u.a. daran deutlich, dass noch die Kathedrale von Bourges in ihrem um 1195 entstehenden Neubau die Fünfschiffigkeit und seinen Aufriss übernimmt, aber bescheiden auf Querhäuser verzichtet, darin ihrer älteren Schwester Notre-Dame in Paris nicht unähnlich.
Dem Bauanspruch der Cluniazenser, die sich die zweitgrößte Kirche der damaligen Welt errichtet hatten, und ihrer Ästhetik hielt der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux in seiner berühmten Polemik, der Apologia ad Guillelmum, entgegen: "Sagt, Ihr Priester, was soll das Gold im Heiligtum?" und unterstellte ihnen: "... sie zögen mit Hilfe von Gold [den Gläubigen] das Geld aus der Tasche. Mit einem Trick werde erreicht, „dass wo der meiste Reichtum zu sehen ist, auch am meisten gegeben wird. Die von Gold bedeckten Reliquien blenden die Augen, und die Geldbörsen öffnen sich"- nebenbei gesagt ein schönes Zeugnis für die Lichtwirkung derartiger Reliquiare und Geräte. Für ihn war der Neubau ein verdammenswertes Werk cluniazensischen Hochmuts und unmönchischen Luxus.[11] Er wirft seinen Gegnern vor, sie würden 'judaizare'.[12] "Die Kirchen der Cluniazenser folgen ... auf eine gewisse Weise den alten jüdischen Bräuchen".[13] Darin drückt sich ein anderes Verständnis der Typologie aus, wonach der neutestamentarische Antitypus nie mit dem alttestamentarischen Typus übereinstimmen darf. Der typologische Verweis auf die Präfiguration des Neuen Testamentes im Alten sowie auf die Symbolik des Himmlischen Jerusalem zählten für ihn nicht. Bernhard tadelt z.B. die nach dem Vorbild des Siebenarmigen Tempelleuchters geschaffenen Kandelaber, die "aufgestellten Bäumen gleichen."
Bernhard bestritt keineswegs die symbolische Deutung des Kirchenbaus und seiner Teile, deutete aber das Verhältnis zu den biblischen Vorbildern anders. Die zisterziensische Klosterkirche sucht weder eine Annäherung an die prächtige Erscheinung der Sancta Sanctorum des Salomonischen Tempels noch an die der Himmelsstadt.[14] Denn sie versteht sich nicht als Vorwegnahme des himmlischen Glanzes, sondern höchstens als ihr „dunkles Atrium“. Da alles Irdische dürftig und unvollkommen sei, müsse in allem irdischen Tun die Distanz zwischen Diesseits und Jenseits sichtbar bleiben. In der Tat sind die ältesten erhaltenen zisterziensischen Kirchenbauten wie Fontenay so außergewöhnlich finster, dass ein gewollter Verzicht auf Beleuchtung vorliegen muss (ABB.##).[15] Bernhards Ausführungen über die dunkle Hautfarbe der Schwarzen Braut in den Homilien zum Hohelied paraphrasieren das Thema der Dunkelheit und helfen die Erscheinung der frühen Zisterzienserkirchen zu erklären.[16]
Analogdazu sind die frühen zisterziensischen Realisierungen der Bauaufgabe des Sanktuariums niedriger und einfacher als das Langhaus, durchaus entgegen dem Zeitgeschmack. Was damit beabsichtigt war, lässt sich aus einer Polemik des Pariser Domkantors Petrus erschließen, der sein Leben als Zisterziensermönch in der Abtei Longpont beschloss. Er schreibt: „Auch beim Bau der Kirchen wird gesündigt. Obwohl ihre Häupter [d.h. das Sanktuarium] niedriger sein müssten als ihre Körper [d.h. das Langhaus] um des Mysteriums willen, weil unser Haupt, d.h. Christus, niedriger ist als seine Kirche, werden sie jetzt höher gebaut…..“[17] Das ist jedoch die Meinung eines Vertreters der älteren Generation. Denn inzwischen hatte der Zisterzienserorden, und zwar schon kurz vor dem Tode Bernhards 1153, die neue lichtere Bauweise der Ile-de-France akzeptiert und errichtete die Neubauten in ihrem Stil. Dies fiel nicht schwer, denn die bernhardinische Theologie durchzieht von Anfang an eine besondere Verehrung des Lichtes, die sich u.a. in der Wahl der Klosternamen ausdrückt, allen voran Clairvaux selbst, d.h. lat. Clara vallis, zu deutsch Lichtenthal.[18] Auch hatten die Zisterzienser aufgrund des Verbotes farbiger Fenster einen eigenen Typus von Grisaillefenster entwickelt, durch die helles Licht in den Kirchenraum strömte.
Bei frühen zisterziensischen Sanktuarien finden sich oft unterhalb des Gewölbeansatzes horizontale Fugen, die sich daraus erklären, dass man den Raum nachträglich erhöht bzw. eingewölbt hat, wie z.B. in Eberbach. Gleichzeitig wurden oft die Sanktuariums-Fenster vergrößert bzw. vermehrt. Die ersten Aufstockungen erfolgten bald nach der Mitte des 12. Jahrhunderts.[19] Gewöhnlich wird dies als Planwechsel oder aus der Wahl eines unterschiedlichen Gewölbetypus erklärt. Der eigentliche Grund jedoch ist der Paradigmenwechsel in der Bausymbolik[20] und Lichtästhetik.[21]
Auslöser dieses Wechsels war die zwischenzeitlich entstandene moderne Baukunst der Ile-de-France, die vor der Mitte des 12. Jahrhunderts mit den Sanktuariums-Neubauten in Noyon, St.-Germer-de-Fly, St.-Denis, Sens usw. eine neue Bauweise entwickelt und ihr zugleich eine neue Deutung gegeben hat.
Abt Suger von St.-Denis, eine der prägenden Gestalten in diesem Innovationsprozess, war zu Beginn seiner Amtszeit Zielscheibe der Kritik des hl. Bernhard, weil er sich bei der Huldigungsreise durch die Besitzungen der Abtei von über 60 Rittern begleiten ließ und einen fürstlichen Luxus betrieb.[22] Wie sein Freund Petrus Venerabilis, Abt von Cluny, ebenfalls Opfer der Polemiken Bernhards, versuchte Suger sich zu schmiegen, um zu einem Konsens mit diesem inquisitorischen, das Volk entflammenden Prediger zu gelangen.[23]
(ABB) Betrachtet man den von Suger viele Jahre reflektierten und geplanten, erst gegen Lebensende 1140-1143 realisierten Sanktuariums-Neubau von St.-Denis, so finden wir einen Raum von mäßiger Höhe, ökonomischer Konstruktion und sparsamer Bauzier. Entscheidend ist jedoch die neue Ästhetik des Lichtes und der Klarheit. Sugers Sanktuariums-Neuschöpfung unterscheidet sich von allen vorangehenden Bauten durch die maximale Vergrößerung der Fenster, die fast bis zum Boden geführt wurden, und durch die dichtere Gruppierung der Chorumgangskapellen, die mit ihrer ununterbrochenen Fensterreihe in den Worten Sugers eine ‚lux continua et mirabilis‘ schafft.[24] Leider war der Baumeister der Choranlage von St.-Denis konstruktiv zu wagemutig, so dass der Bau schon ein gutes halbes Jahrhundert später abgerissen und ersetzt werden musste, wobei man jedoch so respektvoll mit dem Original umging, dass man möglichst viel beizubehalten versuchte und die monolithen Säulen sogar in der komplizierten Technik des ‚en sous-oeuvre‘ durch entsprechend der Bettung gehauene Trommeln ersetzte.
Der Kontrast zwischen dem alten und dem neuen Stil wird im Gegensatz der Krypten- mit den darüber liegenden Kapellenfenstern bewusst inszeniert. Entsprechendes gilt für die Innenräume, die in ein bestimmtes System gebracht wurden: unten Rundbögen, oben spitze, unten keine Fenstergliederungen, oben eingestellte Säulchen, unten rechteckige Wandvorlagen, oben achteckige usw. Dies folgt einer Systematik, die im übrigen auch im Inneren gilt, nur findet die außen für den oberen Teil reservierte Achteckvorlage nun in der Krypta Anwendung, während oben Säulenprunk entfaltet wird. Analoges gilt für die Kapitelle.
Leider wissen wir nicht, wie der Obergaden von St.-Denis ausgesehen hat; doch können uns erhaltene Bauten der Nachfolge, wie das Südquerhaus der Kathedrale von Soissons, eine Vorstellung von der Zierlichkeit der Bauglieder und der dadurch erreichten Lichtfülle vermitteln. Die Leichtigkeit, ja der geradezu unwirkliche Charakter der Architektur innen wurde durch die Verlagerung des Stützsystems nach außen und durch die Verbesserung der Wölbtechnik ermöglicht.
ABB Suger liebte es, als 'neuer Salomon' bezeichnet zu werden und meinte, mit seinem Neubau das Vorbild des Tempels Salomos zu überbieten.[25] Er setzte sich also über die Kritik Bernhards an dieser Bezugnahme hinweg, ging über die traditionelle Lesart hinaus und unterschied gemäß den Anweisungen Gottes zum Bau der Stiftshütte (Ex 25ff., bes. 26,33f.) das Sanktuarium von der Sancta Sanctorum, d.h. das Heilige vom Allerheiligsten.[26] Sugers neuer Kirchenbau versteht sich als ein neuer Tempel Salomons, aber als einer, der nicht das Sanktuarium über und über mit Gold bedeckt, sondern sich der spirituelleren Lichtquelle der farbigen Glasfenster bedient. Suger griff auch ohne Bedenken das cluniazensische Motiv des durchfensterten Sanktuariums mit Säulenkranz auf. Auch dieses Motiv und die Hervorhebung der Mitte (medium)[27] rechtfertigte er durch den Bezug auf die Bibel. Diese Idee war für ihn jedoch nicht 'jüdisch', sondern paulinisch. Er zitiert ausführlich die Sätze aus dem Epheserbrief, in denen die Säulen mit den Aposteln verglichen werden.[28] Er interpretiert sie jedoch typologisch, indem er die äußeren Säulen als Propheten deutet, die inneren als Apostel, zusammengeführt im Schlussstein, d.h. Christus.
Suger gibt noch eine weitere theologische Rechtfertigung des neuen Sanktuariumstyps: Er vergleicht die materielle Kirche und die Gemeinschaft aller Gläubigen mit einem Körper, dessen Haupt, d.h. das Sanktuarium, das ja in der zeitgenössischen Terminologie oft als caput bezeichnet wird, Christus ist. Deshalb hat für ihn das Haupt glänzender zu sein als der Leib. Wie Bernhard folgt er der auf Vitruv fußenden anthropomorphen Deutung des Bauwerks; beide interpretieren sie christologisch um, doch schließt sich Suger der Mehrheitsmeinung an, die das Sanktuarium den alttestamentarischen Vorbildern gemäß als den am reichsten ausgestatteten Raum der Kirche haben wollte. War dies in der Frühzeit noch strittig, so erklärt Durandus von Mende, Autor des bis zum 18. Jahrhundert meist gelesenen liturgischen Handbuchs, des Rationale divinorum officiorum, lapidar als gültige Lehrmeinung: "Die Anordnung der materiellen Kirche folgt dem menschlichen Körper. Das Sanktuarium bzw. der Ort, wo der Altar steht, stellt das Haupt dar."[29]
Schon im 8. und 9. Jahrhundert hatten die Mönche von St.-Denis ihren Schutzpatron, den hl. Dionysios, sowohl mit dem Paulusschüler Dionysios, Bischof von Athen, gleichgesetzt wie mit dem wohl im 6. Jahrhundert tätigen syrischen Autor, der seine Schriften, von denen uns vor allem De Hierarchia caelestis wichtig ist, demselben Dionysios untergeschoben hatte. Das am Neoplatonismus orientierte Werk mit seiner ausführlichen Lichtmetaphysik erhielt damit eine fast apostolische Autorität und konnte nun als Argumentationshilfe zur Einführung der neuen Architektur dienen. Doch halte ich es für falsch, die neue Architektur ausschließlich aus der Rezeption des Pseudo-Dionysios zu erklären.
Man hat also die Gotik von ihrer Genese her als 'Stil der Neugestaltung des Sanktuariums' zu definieren. Sie konnte dessen Bedeutung besser zum Ausdruck bringen als jede ältere Bauweise. Dies wird im Wesentlichen erreicht durch die Steigerung der Lichtfülle, d.h. die Vergrößerung und Vermehrung der Fenster und die Konzentration des Lichtes um den Hochaltar. Die ersten Nachfolgebauten begnügten sich deshalb oft damit, nur das Sanktuarium zu erneuern, so in der Abteikirche St.-Remi in Reims. Der neue Baustil war mit seiner Lichtfülle und seiner geometrischen Strenge von so überzeugender Spiritualität, dass auch die Weißen Mönche ihn übernahmen. Doch steht die gotische Bauweise nicht im Gegensatz zur romanischen, vielmehr ist sie eine Steigerung und Vervollkommnung von Ideen, die im Kern schon in der Abteikirche Cluny III vorgegeben waren.
Suger nennt diesen in zuvor ungekannter Weise lichtdurchfluteten Raum eine Vorwegnahme des himmlischen Glanzes.[30] Man kann von einer Architektur der "Transfiguration" (Verklärung) sprechen; sie gibt nicht, wie Hans Sedlmayr wollte, das reale Abbild des Himmlischen Jerusalem, sie gibt jedoch eine Vorahnung davon. Sie will den Geist zu den höheren Sphären des Himmelslichtes erheben. Der Schlüsselbegriff für die Absichten dieser theologischen Ästhetik ist die Anagogie. Sie wird definiert im Proemium des Durandus: "Anagoge dicitur ... sensus, qui a visibilibus ad invisibilia ducit".[31] (Anagogisch wird derjenige Schriftsinn genannt, der von den sichtbaren Dingen zu den unsichtbaren führt). Sie bringt die neuartige Beziehung zwischen Betrachter und Werk zum Ausdruck, den Schritt von der eher abstrakt bleibenden, nur einen Erkenntniszusammenhang bereitstellenden, symbolischen Bedeutung zu einer Sinne, Herz und Denken gleichermaßen ergreifenden und auf das Göttliche lenkenden Wirkung.[32] Suger schildert das aus eigener Erfahrung: „Als mich einmal die vielfarbige Schönheit der Edelsteine von den irdischen Sorgen ablenkte und …würdiges Nachsinnen mich überzeugte, dabei zu verharren, da meinte ich mich zu sehen, wie ich in einer Region wandelte, die nicht ganz im Schmutz der Erde, aber auch nicht ganz in der Reinheit des Himmels lag, und wie ich dann von dieser unteren zu jener höheren Sphäre durch die Gnade Gottes in anagogischer Art empor getragen wurde.“[33]  (de materialibus ad immaterialia transferendo, honesta meditatio insistere persuaderet, videor videre me quasi sub aliqua extranea orbis terrarum plaga, quae nec tota sit in terrarum faece nec tota in caeli puritate, demorari, ab hanc etiam inferiore ad illam superiorem anagogico more Deo donante posse transferri". In der Betrachtung der Kirche und ihres Schmuckes soll sich der bedrückte Geist aufrichten und seinen Sinn gen Himmel lenken.[34] Schon vor dem Betreten der Kirche verheißen die Verse auf dem Türflügel: "Mens hebes ad verum per materialia surgit / Et demersa prius hac visa luce resurgit." (Der träge Geist steigt von den irdischen Dingen auf zum Wahren / Und der Niedergedrückte erhebt sich wieder durch den Anblick des Lichts.)[35] Der Begriff der 'heilbringenden Schau' ist einer der Schlüsselbegriffe einer sich verändernden Frömmigkeit, die einhergeht mit der neuartigen Inszenierung des Sakralen und einer Ästhetik eigener Art.[36]
Für wie wichtig größtmögliche Helligkeit galt, sieht man daran, dass Bauten, insbesondere Choranlagen, rigoros umgebaut oder gar durch Neubauten ersetzt wurden, wenn sie diese Erwartung nicht erfüllten, selbst wenn sie noch keineswegs reparaturbedürftig waren: Dies erging dem Neubau von Notre Dame in Paris, dessen Helligkeit als ungenügend erachtet wurde, was ca. 20 Jahre nach der Vollendung des ersten Baus zu einem großen Umbau des Obergadens mit dem Ziel der Erweiterung der Fenster führte. Zur Aufhellung wurden technisch innovativ auch Flachdächer eingeführt und die Streben extrem ausgedünnt. Eine Generation später kam es in Notre Dame zur Anfügung von fast vollständig durchlichteten Querhäusern mit den damals größten Rosenfenstern.
Die Geschichte der gotischen Architektur ist der Tendenz nach eine der Vergrößerung der Fensterflächen, aber auch der bewussten Gestaltung der Lichtführung, d.h. ihrer Steigerung bzw. Abschwächung, ihrer Konzentration bzw. Abschattung. Der Ehrgeiz zielte zunächst darauf, die Wände der Kirchen restlos zu durchfenstern, so dass bei einigen Bauten überhaupt keine Mauerstreifen neben den Fenstern mehr zu finden sind. Man durchbrach auch die Wände der Triforien, oft nur im Sanktuarium, wie in der Stiftskirche von Moret-sur-Loing.
Aufschlussreich ist die Position der Fenster in der Wand. Die von Viollet-le-Duc gezeichnete Isometrie des Amienser Langhauses macht deutlich, dass die Fenster im Arkadengeschoss in der Mitte der Mauer sitzen, im Obergaden jedoch innen bündig mit dem Dienstbündel, so dass außen noch ein Laufgang hinpasst. Das hat zur Folge, dass wegen des anderen Einfallswinkels oben mehr Licht einfällt. Da außerdem keine Schatten werfenden Nachbargebäude vorhanden sind, wird die Lichtintensität nach oben noch verstärkt. Dem entspricht auch die Farbverglasung, die im Obergaden viel größere Blankglasflächen hat.
Doch nicht alles in der Kirche wollte man gleich hell haben. Hauptziel war immer die Wirkungssteigerung des Sanktuariums. Das Licht der farbigen Fenster ersetzte das Gold des Salomonischen Tempels. Deshalb wurden auch zuerst nur die Triforien der Sanktuarien durchfenstert. Dies geht einher mit einer gestuften Vermehrung des Schmucks, sei es im Maßwerk, sei es dadurch, dass man die Amienser Chortriforien mit Wimpergen bereicherte. Die genauere Betrachtung zeigt, dass die Hochschiffswand von der Fenstergliederung her bestimmt ist: so wird z.B. das Triforium als Sockel des Obergadenfensters gebildet, mit derselben Dreiteilung und von oben heruntergezogenen Fensterstäben.
In diesem Zusammenhang ist auch auf das merkwürdige Gesims unterhalb des Triforiums einzugehen, dessen krautiges Blattwerk sich von den Traditionen antiker Architektur sehr weit entfernt. Dem Architekten ging es vor allem darum, einen horizontalen Schattenstreifen einzuführen und zugleich ein schmuckreicheres Gesims zu haben als in der Arkadenzone. Die Gestaltung der Architektur selbst ist also auf Lichtwirkung hin berechnet.
(ABB) Neben der Hervorhebung des Sanctuariums hatte die Lichtführung  noch ein anderes Ziel: die Steigerung der Lichtintensität von unten nach oben. Gerade in Amiens, wo man in dieser Hinsicht besonders innovativ war, ist die Lichtmenge, die durch die Fenster der Seitenschiffe hereinkommt, geringer als im Obergaden. Außerdem ist die Lichtquelle weiter entfernt, so dass das Mittelschiff unten weniger hell ist als oben.[37]
ABB Etwas überspitzt kann man also sagen, dass die gotische Baukunst nicht nur eine Kunst der schlanken Dienste, der Spitzbögen und der Rippengewölbe ist, sondern mehr noch eine der Fenster. Sie bilden mit ihren Glasbildern den Mittelpunkt jedes Joches; ihr Stabwerk bestimmt letztlich den Aufriss. Sie sind das Thema und das Grundelement bei der Komposition des Wandreliefs. Von ihnen her ist jedes Joch zu beschreiben. Man kann am Beispiel der Umgangskapelle in Amiens sehen, wie die Architektur der Fenster auf die Wände übergreift.
Die Baumeister des späten 12. Jahrhunderts haben die Säule durch den kantonierten Pfeiler, d.h. die Rundstütze mit kräftigen Diensten an ihren vier Seiten ersetzt, doch schon bald bekam der Bündelpfeiler den Vorrang, der letztlich ebenfalls aus einem romanischen Vorbild weiterentwickelt wurde. Beim Bündelpfeiler aber zeigte sich bald, dass man ihn nicht mehr als aus fünf unterscheidbaren, körperlichen Gliedern geformt verstand, sondern die Formen kontinuierlich ineinander übergehen ließ. D.h. sie wirkten weniger als distinguierte Körper, sondern als Licht-Schatten-Bahnen.
Das deutet sich bereits im Obergaden von Amiens an und findet seine Vollendung in der Sainte-Chapelle in Paris, errichtet in den Jahren 1241-1248 als gläserner Schrein für die Dornenkrone Christi und die anderen prestigereichen, von König Ludwig dem Heiligen in Konstantinopel erworbenen Reliquien. Der Bau ist vollständig durchfenstert, die Architekturteile sind ausnahmslos bemalt und vergoldet, das Gewölbe als blauer mit Sternen bedeckter Himmel gestaltet. Dass hier auf die Himmelsstadt Jerusalem Bezug genommen wird, ist offenkundig. Und wie dort kann man von leuchtenden Edelsteinwänden sprechen.[38]
Die Unterkapelle ist sehr viel niedriger und geradezu finster, der Kontrast der Lichtwirkung sehr hart, aber sicher beabsichtigt. Während die meisten gotischen Neubauten keine Krypta haben und die nur wenig ältere Hofkapelle in St.-Germain-en-Laye überhaupt keine Unterkapelle, wird hier der Kontrast zwischen der Dunkelheit des Irdischen und des Himmlischen herausgearbeitet: der Weg von der ‚Krypta’ unten zum gläsernen ‚Schrein‘ oben versteht sich als Aufstieg zum göttlichen Licht.
Die Architektur wird entkörperlicht und spiritualisiert - sie wird zur Erscheinung.
Ich ziehe den Schlusssstrich. Ich kann hier weder die Geschichte der gotischen Lichtarchitektur Mitteleuropas, noch die originellen Lösungen in England oder Katalonien vorstellen; sondern nur noch eine abschließende Bemerkung machen: Der Rückgriff auf die antiken Säulentypen und ihre Systematisierung im System der Säulenordnungen seit dem 16. Jahrhundert darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die entscheidende Neuerung, der konstruktiv kühne, lichtdurchflutete Raum mit großen Fenstern und weit gespannten Gewölben letztlich der Gotik verpflichtet blieb, weshalb etwa die Kirchenräume Balthasar Neumanns, wie die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, insgeheim viel gotischer sind, als die Nomenklatur der Epochen-Kunstgeschichte uns weismachen will.


[1] Andreas Speer: Lux mirabilis et continua. Anmerkungen zum Verhältnis von mittelalterlicher Lichtspekulation und gotischer Glaskunst,  in: Kat. Köln 1998, S. 89-94, hier: S. 91f. unter Berufung auf den Kommentar des Thomas von Aquin zu De divinis nominibus
[2] Wolfgang Schöne: Über den Beitrag von Licht und Farbe zur Raumgestaltung im Kirchenbau des alten Abendlandes, in: Evangelische Kirchbautagung  10,1959, 89-154 ; Otto v. Simson: Die gotische Kathedrale : Beiträge zu ihrer Entstehung und Bedeutung,Darmstadt 1972.
[3] Abbé M.-L. Duru: Bibliothèque Historique de l‘Yonne…, I, Auxerre 1850, S. 448 u. 474. Aufschlussreich ist auch die Passage über den Neubau der Kathedrale:“ Eodem tempore, circa novas ecclesiarum structuras passim fervebat de novo populorum. Videns itaque episcopus ecclesiam suam Autissiodorensem structure antique minusque composite squalore ac senio laborare, aliis circunquaque capita sua extollentibus mira specie venustatis, eam disposuit nova structura et studioso peritorum in arte cementaria artificio decorare, ne ceteris specie studiove penitus impar esset; eamque fecit a posteriori funditus parte demoliri, ut, deposito antiquitatits veterno, in elegantiorem juvenesceret speciem novitatis.”
[4] Duru (wie Anm. 3), 470.
[5] Marie-Thérèse d’Alverny: Les mystères de l’église d’après Pierre de Roissy, in: Mélanges René Crozet, Poitiers 1966, 1085-1104.
[6] RDK, Art. Fenster
[7] Die Literatur zum 1088 begonnenen Neubau von Cluny III ist umfangreich; ich beschränke mich auf die Nennung von Kenneth J. Conant: Cluny, les églises et la maison du chef d'ordre, Mâcon 1968; Ders.: L'abside et le choeur de Cluny III, in: Gazette des Beaux-Arts 79, 1972, S. 5-12; Francis Salet: Cluny III, in: Bulletin Monumental 126, 1968, S. 235-292.
[8] Zitiert wird hier der berühmte Kirchweihhymnus.- Jean Leclercq: Spiritualité et culture à Cluny, in: Spiritualità Cluniacense, Todi 1960, S. 101-150 (Convegno del Centro di Studi sulla Spiritualità Medievale 2, 1958).- Der Begriff des "deambulatorium angelorum" in: Qualiter beatus Hugo divina revelatione admonitus cluniacensis basilicae structuram in qualitate et quantitate melioravit, in: M. Marrier u.a. (Hg.): Bibliotheca Cluniacensis, Paris 1614, Reprint Mâcon 1915, Sp. 457 ff.
[9] Johan Chydenius: The Theory of Medieval Symbolism, Helsingfors 1960 (Societas Scientiarum Fennica. Commentationes Humanarum Literarum 27,2); Gerhard B. Ladner: Medieval and modern understanding of Symbolism, in: Speculum 54, 1979, 223-356; Bruno Reudenbach: Säule und Apostel. Überlegungen zum Verhältnis von Architektur und architekturexeegetisdcher Literatur im Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 14, 1980, 310-351, hier:  319 f.
[10] Wolfgang Schöne: Über das Licht in der Malerei, Berlin 1954, 68, Anm. 147.
[11] Apologia ad Guillelmum, in: PL 182, Sp. 895-918, bes. 914 ff.- R. Cortese Esposito: Analogie e contraste fra Cîteaux e Cluny, in: Cîteaux 19, 1968, S. 5-39.- Bernhards Sätze lauten lateinisch: "... sic pecunia pecuniam trahit. Quia nescio quo pacto, ubi amplius divitiarum cernitur, ubi offertur libentius. Auro tectis reliquiis saginantur oculi, et loculi aperiuntur." (PL 182,  Sp. 915 B).
[12] "... arbores quasdam erectas", a.a.O., Sp. 915.- Peter Bloch: Siebenarmige Leuchter in christlichen Kirchen, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 23, 1961, 55-190.
[13] "... mihi quodammodo repraesentant antiquum ritum Judaeorum": PL 182 (wie Anm. 11), Sp. 914.
[14] Karl Heinz Esser: Über den romanischen Kirchenbau des hl. Bernhard von Clairvaux. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung aufgrund der Ausgrabung der romanischen Abteikirche Himmerod, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 5, 1953, S. 195-222, hat S. 207 ff. als erster das Fehlen der traditionellen symbolischen Deutung des Kirchenbaus beim hl. Bernhard herausgearbeitet. Andererseits ist dieser einer der wichtigsten Anreger für einen moralisch-tropologischen Gebrauch der Baumetaphern, etwa in seinem erbaulichen Traktat De gradibus humilitatis et superbiae mit ihren 15 allegorisch gedeuteten Treppenstufen (PL 182, Sp. 941-972).
[15] Die Dunkelheit entsteht vor allem durch das Weglassen der Obergadenfenster im Schiff, das bekanntlich bei den Weißen Mönchen der Ort des Chorgestühles war.
[16] Emma Simi-Varanelli: Nigra sum sed formosa. La problematica della luce ... nell'estetica bernardina, in: Rivista dell'Istituto nazionale d'archeologia e storia dell'arte, 3a serie, 2, 1979, S. 119-167.- Anselme Dimier: Architecture et spiritualité cisterciennes, in: Revue du Moyen Age latin 3, 1947, S. 255-274.
[17]Robert Suckale: Deutung und Gestaltung der Sanktuariumsarchitektur des 12. Jahrhunderts, in: Ders.: Stil und Funktion. Ausgewählte Schriften zur Kunst des Mittelalters, hg. von Peter Schmidt und Gregor Wedekind, München und Berlin  2003, 303-315, hier: 307f.
[18] Simi-Varanelli (wie Anm. 16).- Dieter Kimpel/Robert Suckale:  Die gotische Architektur in Frankreich 1130‑1270, München 21995, 145 ff.
[19] Wilhelm Schlink: Zwischen Cluny und Clairvaux. Die Kathedrale von Langres und die burgundische Architektur des 12. Jahrhunderts, Berlin 1970 (Beiträge zur Kunstgeschichte 4) hat S. 111 ff. überzeugend einen Wandel im Verhältnis zwischen Zisterziensern und Cluniazensern mit entsprechenden Folgen in der Baukunst der Weißen Mönche nachgewiesen.- Über die Bedeutung der Wahl polygonaler Formen für den Grundriss und die Annäherung der Zisterzienser an die gotische Bauweise der Ile-de-France s. Kimpel / Suckale (wie Anm. 18), 145 ff. und passim.
[20] Hanno Hahn: Die frühe Kirchenbaukunst der Zisterzienser : Untersuchungen zur Baugeschichte von Kloster Eberbach im Rheingau und ihren europäischen Analogien im 12. Jahrhundert, Berlin 1957 hat diese Befunde falsch gedeutet. Zu italienischen Beispielen s. Lelia Fraccaro de Longhi: L'architettura delle chiese cistercensi italiane con particolare riferimento ad un gruppo omogeneo dell'Italia settentrionale, Mailand 1958, rez. von Hanno Hahn, in: Kunstchronik 13, 1960, 77-84.
[21] v. Simson (wie Anm. 2).
[22] Die in der Apologia (wie Anm. 11), 914 A vorgebrachte Kritik bezieht sich offenkundig auf Suger.
[23] Erwin Panofsky: Abbot Suger on the Abbey Church of St.-Denis, Princeton 21979, 14ff.- Yves Christe: A propos de l'apologia de St. Bernard: dans quelle mesure Suger a-t-il tenu compte de la réforme cistercienne?, in: Genava 14, 1966,  5-11.
[24] Panofsky a.a.O., 100 und 240.
[25] Suger war stolz darauf, als 'neuer Salomon' bezeichnet zu werden, so z.B. in einem Brief des Bischofs Joscelin von Soissons; s. Suger: Oeuvres complètes, hg. von Albert Lecoy de la Marche, Reprint Hildesheim u.a. 1979, S. 421; Panofsky (wie Anm. 23), 90ff. Reisende, die die Reichtümer von St.-Denis mit denen der Hagia Sophia in Konstantinopel verglichen, machten ihm große Freude; s. Panofsky, 64 ff. Zum Gold s. Ders., 52ff., über die Cherubim  67.
[26] Über Sugers Gebrauch von caput Panofsky, 72 und 210ff.- Letztlich ist dieser Gedanke schon in der frühchristlichen Interpretation des Kirchenbaus als Kreuz latent; s. Friedrich W. Deichmann: Einführung in die christliche Archäologie, Darmstadt 1983, 89ff.- Victor Mortet / Paul Deschamps: Recueil de textes relatifs à l'histoire de l'architecture et à la condition des architectes en France, au Moyen-Age, Reprint Paris 1995 (Éditions du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques) I , 159ff. und II, 17.- D'Alverny (wie Anm. 5),  1089 und 1096.- Vitruvii de architectura libri decem, hg. und übersetzt von C. Fensterbusch, Darmstadt 1964,  138ff.- Zum Bekanntheitsgrad dieses Traktates im Mittelalter s. Carol H. Krinsky: Seventy-eight Vitruvius manuscripts, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 30, 1967, 36-70, bes. 40 über das Aufgreifen seiner Idee vom Muster des menschlichen Körpers im Mittelalter.- S.a. Frank Zöllner; Vitruvs Proportionsfigur : eine Metapher für Maß und Geometrie, in: Entwerfen : Architektenausbildung in Europa von Vitruv bis Mitte des 20. Jahrhunderts,  hg. von Ralph Johannes, Hamburg 2009.- Der Vergleich von Kirche und menschlichem Körper schon in den Gesta abbatum Trudonensium aus dem frühen 12. Jh., s. Joseph Sauer: Symbolik des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung in der Auffassung des Mittelalters mit Berücksichtigung von Honorius Augustodunensis, Sicardus und Durandus , Freiburg/Brg. 1924, 111.- Edgar de Bruyne: Etudes d'esthétique médiévale, 3 Bde., Brügge 1946, bes. I, 237ff. und 258ff.- Fritz Saxl: Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters, II. Die Handschriften der Nationalbibliothek in Wien, Heidelberg 1927, S. 40ff. (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1925/1926, 2).- Der christologische Aspekt diskutiert bei: Henri de Lubac: Exégèse médiévale, Paris 1963, I/1, 155ff. und II/2, 47f.
[27] In medio wurde von Panofsky (wie Anm. 23), 50, 169 u. andernorts, ebenso von anderen Autoren auf das Langhaus bezogen, m.E. zu Unrecht, trotz der dem Anschein nach diese Deutung stützenden Passage in "De administratione", XXIX, 50, 25 f. Nach I Reg 6,19,26 ist das Sanktuarium gemeint. Cf. Friedrich Oswald: In medio ecclesiae – die Deutung der literarischen Zeugnisse im Lichte archäologischer Funde, in: Frühmittelalterliche Studien 3, 1969, 313-326.
[28] Reudenbach (wie Anm. 9); Panofsky (wie Anm. 23),  104. Suger bezieht sich auf den in Cluny zitierten Satz von der Kirche als mons Sion; s. Panofsky, 104, 227, 241. Andere Bezugnahmen auf das Alte Testament s. Panofsky, S. 134.
[29] Durandus  I/1: "Dispositio autem ecclesiae materialis modum humani corporis tenet. Cancellus sive locus ubi altare est caput repraesentat."
[30] Zur lux mirabilis cf. Panofsky (wie Anm. 23), 100; zu den lapides preciosi 102, ein Zitat nach dem Breviarium Romanum zum Fest der Kirchweihe (s.a. Apc 21,11). Otto v. Simson (wie Anm. 2) insistiert zu einseitig auf der Bedeutung der Lichttheologie des Dionysius Areopagita. S. dagegen Grover A. Zinn: Suger's Theology and the Pseudo-Dionysian Tradition, in: Paula Gerson (Hg.): Abbot Suger and St.-Denis. A Symposium, New York 1986, S. 33-40; Kimpel / Suckale (wie Anm. 18), 58.
[31] Zum mos anagogicus s. de Lubac (wie Anm. 26). Panofsky (wie Anm. 23), 46f., 62 u. 165; Kimpel / Suckale (wie Anm. 18), S. 90 f.- Konrad Hoffmann: Sugers "anagogisches" Fenster in St.-Denis, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 30, 1968, 17-88.- Dass dieser Begriff fälschlich mit dem Areopagiten in Zusammenhang gebracht wird, betont Grover A. Zinn (wie Anm. 30).
[32] Nicht zufällig rückt in derselben Zeit die Aufgabe der christlichen Bilder, Andacht zu wecken, immer mehr ins Zentrum des gestalterischen Bemühens.
[33] Speer (wie Anm. 1), 344f.
[34] Panofsky (wie Anm. 23),  62: "... de materialibus ad immaterialia transferendo, honesta meditatio insistere persuaderet, videor videre me quasi sub aliqua extranea orbis terrarum plaga, quae nec tota sit in terrarum faece nec tota in caeli puritate, demorari, ab hanc etiam inferiore ad illam superiorem anagogico more Deo donante posse transferri" u. 74: "... de materialibus ad immaterialia excitans..."; s.a. S. 191 und Pierre Verdier: Réflexions sur l'esthétique de Suger. A propos de quelques passages du De administratione, in: Etudes de civilisation médiévale, Mélanges Edmond-R. Labande, Poitiers 1974, 699-709.
[35] Panofsky (wie Anm. 23), 22 u. 46.
[36] Edouard Dumoutet: Le désir de voir l'hostie et les origines de la dévotion au Saint-Sacrement, Paris 1926.
[37] Kimpel / Suckale (wie Anm. 18), 58.
[38] Die Sainte-Chapelle hat eine Gesamthöhe von fast 40 Metern  Dieser konstruktive Wagemut war jedoch nur möglich, weil man in einem vorher unbekannten Ausmaß Eisen verwendete. Drei sorgfältig verdeckte eiserne Ringanker halten den Bau zusammen, der untere in die Fenstersohlbank eingelassen, der obere vom Couronnement verdeckt, der mittlere als FensterEisen getarnt. In der Unterkapelle sind zusätzlich zwei Reihen Stützen in den Raum gestellt und mit eisernen Zugankern in der Wand befestigt, obendrein sind die Rippen im Polygon mit Eisen verstärkt, und oberhalb der Gewölbe der Oberkappelle sind die Mauern durch ein Netz von Zugankern zusammengespannt.

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